ZWeR 2022, 448

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2199-1723 Zeitschrift für Wettbewerbsrecht ZWeR 2022 AufsätzeAlexander Baur* / Philipp Maximilian Holle**

Die Selbstbelastungsfreiheit des Unternehmens im Kartellrecht

Das Kartellrecht nimmt bei der Höhe der Geldbußen, die gegen Unternehmen verhängt werden können, eine Vormachtstellung ein, die trotz des Umstands fortwährt, dass andere Rechtsbereiche hieran Anschluss suchen. Jedenfalls seit der 10. GWB-Novelle muss das Kartellrecht aber auch auf verfahrensrechtlicher Ebene als besonders wirkungsmächtig gelten. Es finden sich nunmehr noch weitaus mehr Regelungen, die das Kartellverfahren gegenüber herkömmlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren aus Sicht von Unternehmen verschärfen. Insbesondere bei den neu geregelten Auskunftspflichten der Unternehmen stellt sich mittlerweile allerdings die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber im Zuge der Umsetzung der ECN+-Richtlinie die „Schrauben überdreht“ und fundamentale Verfahrensgrundsätze in bedenklicher Weise verkürzt hat.

Inhaltsübersicht

  • I. Europarechtlicher Rahmen und Umsetzung in das deutsche Recht
    • 1. Vorgaben der EC16N+-Richtlinie und ihre Anlehnung an die Orkem-Rechtsprechung des EuGH
    • 2. Umsetzung ins nationale Recht
      • 2.1 Übernahme des unternehmensbezogenen Auskunftsverlangens
      • 2.2 Nationale Besonderheiten infolge der Möglichkeit einer Bebußung von Individuen
  • II. Bewertung der Richtlinienumsetzung im Schrifttum
  • III. Möglichkeiten zur unternehmensbezogenen Informationsbeschaffung nach der deutschen Richtlinienumsetzung
    • 1. Ausdeutung des Orkem-Standards
    • 2. Weitergehende Möglichkeiten zur unternehmensbezogenen Informationsbeschaffung
  • IV. Gesamtgefüge mit erheblicher Unwucht
    • 1. Kartellbußgeldverfahren als Teil des Ordnungswidrigkeitenrechts
    • 2. Selbstbelastungsfreiheit als Schutz- und Verteidigungsrecht in repressiven Verfahren gegen Unternehmen
      • 2.1 Abwägungsfestigkeit der Selbstbelastungsfreiheit im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen natürliche Personen
      • 2.2 Dogmatische Herleitung aus höherrangigem Recht
      • 2.3 Relativer Schutz der Selbstbelastungsfreiheit als Bestandteil eines fairen Kartellverfahrens gegen Unternehmen
    • 3. Kein substanzieller Schutz vor Selbstbelastung durch Orkem-Standard
    • 4. Weitergehende Unterwanderung des Orkem-Standards durch die nationale Richtlinienumsetzung
  • V. Charta- und Grundgesetzwidrigkeit im Lichte des Kooperationsverhältnisses von BVerfG und EuGH
    • 1. Problemstellung
    • 2. Inanspruchnahme der Prüfungskompetenz hinsichtlich der Unterwanderung des Orkem-Standards sowohl durch das BVerfG als auch durch den EuGH
    • 3. Europäische Prüfungskompetenz hinsichtlich des in der ECN+-Richtlinie vorgegebenen Orkem-Standards
  • VI. Wege zu einem fairen Verfahren
*
*)
Dr. iur., Postdoc Universität Augsburg
**
**)
Dr. iur., wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand am Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht an der Universität Köln

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