ZWeR 2003, 481

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln 1611-1982 Zeitschrift für Wettbewerbsrecht ZWeR 2003 EntscheidungsbesprechungenKathrin Westermann*

Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand nach der Feuerlöschzüge-Entscheidung des BGH

I. Die Entscheidung1

1. Sachverhalt

Der Einkauf von Feuerwehrfahrzeugen und dazugehörigen Ausrüstungsgegenständen durch die öffentliche Hand wird in Niedersachsen im Wesentlichen über eine 100 %-ige Tochtergesellschaft des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes e. V. abgewickelt, in dem 80 % der niedersächsischen Kommunen organisiert sind. Diese führt für die Mitgliedsgemeinden Sammelbestellungen durch und schreibt dabei teilweise auch die Beschaffung von Feuerlöschzügen und anderen Gegenständen europaweit aus. Die Mitgliedsgemeinden melden der Einkaufsgesellschaft ihren Bedarf und sind anschließend verpflichtet, die für sie erworbenen Gegenstände zu dem von der Einkaufsgesellschaft ausgehandelten Preis zuzüglich eines Fixums in Höhe von 3 % des Einkaufspreises abzunehmen. Es steht ihnen jedoch frei, benötigte Produkte auch ohne Einschaltung der Einkaufsgesellschaft selbst zu beschaffen.

II. Würdigung der Feuerlöschzüge-Entscheidung des BGH

1. Überblick

Die Entscheidung des BGH hat zum einen Bedeutung für die Anwendung des § 1 GWB auf die Tätigkeit von Einkaufskooperationen. Sie verdeutlicht dabei den Schutz auch des Nachfragewettbewerbs, den das Kartellverbot nach Auffassung des BGH unabhängig davon gewährt, ob der Wettbewerb zwischen werbend tätigen Unternehmen oder Kommunen stattfindet (dazu unter 2). Ferner enthält die Entscheidung wichtige Klarstellungen zu den Freistellungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 2 GWB, die nach der bisherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte kontrovers diskutiert wurden (dazu unter 3). Zudem soll kurz auf die Frage eingegangen werden, ob mit der bevorstehenden 7. GWB-Novelle zukünftig Änderungen bei der Beurteilung von Einkaufskooperationen verbunden sind (dazu unter 4).

2. Verstoß gegen § 1 GWB durch die Bildung von Einkaufskooperationen

2.1 Wettbewerbsverhältnis zwischen den an der Einkaufskooperation Beteiligten

In der Literatur wird vereinzelt angenommen, eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung von Einkaufskooperationen im Sinne von § 1 GWB könne nur dann bestehen, wenn mit der Einkaufskooperation auch eine Bezugsbindung der Mitglieder verbunden ist. Nur wenn den Mitgliedern der Kooperation keine Freiheit in ihrer Kaufentscheidung gelassen werde, sei das Kartellverbot des § 1 GWB überhaupt anwendbar.3 Ausreichend sei dabei allerdings ein wirtschaftlicher oder mittelbarer Bezugszwang, der sich daraus ergibt, dass günstige Einkaufsbedingungen nur bei einem Bezug über die Einkaufskooperation erzielt werden können.4 Teilweise wird sogar angenommen, die Übertragung der Grundsätze der (unzulässigen) Verkaufskooperation auf die Zusammenarbeit im Einkauf sei unberechtigt, da zwei dieselben Produkte einkaufende Unternehmen nicht notwendigerweise im Sinne des § 1 GWB „miteinander im Wettbewerb stehen“. Der günstige Einkauf eines Nachfragers behindere den Einkauf ZWeR 2003, 484des anderen Nachfragers nicht und habe auch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Konditionen seines Einkaufs.5
Der BGH hat demgegenüber in der Feuerlöschzüge-Entscheidung klargestellt, dass die Bündelung des Nachfrageverhaltens sowohl von Gemeinden als auch von werbend tätigen Unternehmen auch ohne Vorliegen eines – faktischen – Bezugszwanges unter das Kartellverbot fällt. Dem BGH reicht es aus, dass sich die Kommunen als selbstständige Nachfrager unternehmerisch betätigen und die gleichen Produkte nachfragen. Dabei soll es zum einen unerheblich sein, ob sich die Nachfrage auf Gegenstände richtet, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit der Gemeinde stehen. Zur Begründung führt der BGH unter Hinweis auf seine insoweit ständige Rechtsprechung aus, dass auch Hoheitsträger, die sich zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben den Mitteln der Privatrechtsordnung bedienen, dabei den gleichen Beschränkungen unterliegen wie jeder andere Marktteilnehmer und daher auch die Grenzen des Wettbewerbsrechts zu beachten haben.6 Ebenso unerheblich sei es zum anderen, ob der Nachfrager für die eingekauften Produkte Endverbraucher ist oder ob er diese – eventuell nach Weiterbearbeitung – auf einem nachgelagerten Markt seinerseits weiterveräußert.
Diese Auslegung des Kartellverbots entspricht dem Wortlaut des § 1 GWB. Man wird wohl nicht ernstlich davon ausgehen können, dass Gemeinden oder andere Unternehmen, welche dieselben Produkte nachfragen, dabei nicht in einem Wettbewerbsverhältnis (um die besten Einkaufskonditionen) stehen. Gerade weil es den Anbietern regelmäßig möglich ist, gegenüber verschiedenen Nachfragern unterschiedliche Konditionen durchzusetzen, hat der Gesetzgeber eine Freistellung vom Kartellverbot für solche nachfragenden Unternehmen vorgesehen, die nach seiner Auffassung bei ihrer Einkaufstätigkeit einer Privilegierung gegenüber anderen Unternehmen bedürfen. Allerdings gibt es im Bereich der reinen Nachfrage nach Produkten keine Gesetzmäßigkeit, nach der es ausgeschlossen ist, dass die von einem Nachfrager durchgesetzten Bedingungen auch anderen Nachfragern gewährt werden. Die Tätigkeit eines Nachfragers beeinflusst die Konditionen eines anderen Nachfragers daher nicht unmittelbar. Dies ist allerdings auch beim Angebotswettbewerb nicht notwendigerweise der Fall. Stehen Anbieter untereinander im Wettbewerb, ist es ebenfalls denkbar, dass beide den gleichen Abnehmer beliefern oder verschiedene Abnehmer zu den gleichen Bedingungen gewinnen können. Vor diesem Hintergrund geht der BGH zu Recht davon aus, dass die gleichen Produkte nachfragende Unterneh-ZWeR 2003, 485men unabhängig davon miteinander im Wettbewerb stehen, ob sie die nachgefragten Waren als Endverbraucher nutzen oder auf einem nachgelagerten Markt weiterveräußern.
Die Europäische Kommission verfolgt hier allerdings einen anderen Ansatz. Nach den Leitlinien der Kommission zur Anwendung von Art. 81 EG auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit stellen Einkaufskooperationen in der Regel keine unter Art. 81 Abs. 1 EG fallende Wettbewerbsbeschränkung dar, wenn die an der Einkaufskooperation beteiligten Unternehmen nicht gleichzeitig auf demselben relevanten nachgeordneten Markt als Anbieter tätig sind. Art. 81 Abs. 1 EG kommt ohne ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperation auf nachgelagerten Angebotsmärkten mangels Wettbewerbsbeschränkung nur dann zur Anwendung, wenn die Mitglieder der Einkaufskooperation eine starke Stellung auf den Einkaufsmärkten innehaben. Dies sei bei einem gemeinsamen Marktanteil der an der Vereinbarung Beteiligten auf den Einkaufsmärkten von weniger als 15 % unwahrscheinlich.7
Der BGH folgt diesem Ansatz offensichtlich nicht. Für die Anwendung des § 1 GWB reicht es demnach aus, wenn Nachfrager der gleichen Produkte ihre Einkaufstätigkeit bündeln und dabei auf selbstständige Einkaufsverhandlungen mit den Lieferanten verzichten.8 Ein – zumindest potenzielles – Wettbewerbsverhältnis zwischen den beteiligten Unternehmen auf Angebotsmärkten ist für die Anwendung des § 1 GWB danach gerade nicht erforderlich. Dies hat Bedeutung insbesondere für Einkaufskooperationen größerer Unternehmen, auf welche die Freistellungsnorm des § 4 Abs. 2 GWB von vornherein nicht anwendbar ist. Kaufen solche Unternehmen gemeinsam Produkte ein, die sie nicht auf nachgelagerten Angebotsmärkten weiterveräußern, sondern beispielsweise als Vorprodukte für die Herstellung eines anderen Produkts benötigen, fällt eine derartige Einkaufskooperation nach den Leitlinien der Kommission nur dann unter Art. 81 Abs. 1 EG, wenn die an der Einkaufskooperation Beteiligten erhebliche Marktmacht auf den Nachfragemärkten innehaben. Nach der Feuerlöschzüge-Entscheidung des BGH dagegen fällt eine derartige Einkaufskooperation unter § 1 GWB und wäre nur dann nicht verboten, wenn es der damit verbundenen Wettbewerbsbeschränkung an der Spürbarkeit fehlt. Hier besteht also ein messbarer Unterschied zwischen der europäischen und der deutschen Anwendungspraxis des Kartellverbots.9
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2.2 Abgrenzung zu reinen Vertikalverträgen

Melden die Mitglieder einer Einkaufskooperation ihren Bedarf an die gemeinsame Einkaufsgesellschaft und beauftragen sie diese gleichzeitig, die von ihnen benötigten Produkte einzukaufen, liegt darin zunächst eine vertikale Vereinbarung zwischen den jeweiligen Mitgliedern und der Einkaufskooperation. In dem vom BGH entschiedenen Fall fand eine unmittelbare horizontale Abstimmung zwischen den Gemeinden, welche die Beklagte mit der Beschaffung von Feuerlöschzügen beauftragten, also gerade nicht statt. Dennoch stellt der BGH zu Recht fest, dass die jeweiligen Einzelaufträge der Kommunen nicht als – die Anwendung des § 1 GWB ausschließende – Vertikalvereinbarungen im Sinne der §§ 14 ff. GWB zu qualifizieren sind. Vielmehr werde die Verhaltensabstimmung hier über die Vielzahl gleichartiger Aufträge an einen Dritten, mithin über so genannte „Sternverträge“ bewirkt.10 Sofern also die Tätigkeit der Einkaufskooperation über die bloße Vermittlung von Lieferaufträgen zu Gunsten der einzelnen Mitglieder hinausgeht und darin besteht, mehrere gleichgerichtete Beschaffungsvorhaben der Mitglieder zusammenzuführen, um auf diese Weise ein größeres Marktnachfragepotenzial zu erreichen, führen die verschiedenen – vertikalen – Auftragsverhältnisse zu einer Abstimmung des Nachfrageverhaltens der Auftraggeber. Entscheidend ist mithin, dass die einzelnen Gemeinden als selbstständige Nachfrager am Markt ausscheiden. Ob sie ihr Nachfrageverhalten über die gleichzeitige Einschaltung einer Einkaufsgesellschaft oder unmittelbar durch Absprachen über Einkaufsbedingungen erreichen, spielt danach für die Anwendung des § 1 GWB keine Rolle. Entscheidend ist lediglich, dass die Einkaufsgesellschaft nicht ausschließlich als Vermittler für einen einzelnen Nachfrager tätig wird, sondern den Bedarf verschiedener Nachfrager bündelt und auf diese Weise der Nachfragewettbewerb ausgeschlossen wird.
Etwas anderes gilt nach der Feuerlöschzüge-Entscheidung des BGH nur dann, wenn die Einkaufsgesellschaft als selbstständiger Zwischenhändler auftritt. Hätte die Beklagte ein eigenes wirtschaftliches Risiko getragen, indem sie Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erworben hätte, um diese in einem weiteren Schritt auf eigenes Risiko an die Gemeinden weiterzuveräußern, läge keine Beschränkung des Nachfragewettbewerbs vor. In diesem Fall würde es überdies an einem gemeinsamen Einkauf der Mitglieder der Einkaufskooperation fehlen.11
Einkaufskooperationen sind dem Anwendungsbereich des Kartellverbots also nur dann entzogen, wenn die Mitgliedsunternehmen auch im Einzelfall trotz einer – unverbindlichen – Bedarfsmeldung nicht verpflichtet sind, die von der ZWeR 2003, 487Einkaufsgesellschaft erworbenen Produkte auch tatsächlich abzunehmen. Nur ohne eine Abnahmepflicht auch im Einzelfall trägt die Einkaufsgesellschaft nämlich ein eigenes wirtschaftliches Risiko und wäre nach der Rechtsprechung des BGH nicht als reines Instrument zur Nachfragebündelung anzusehen. Diese vom BGH nunmehr ausdrücklich bestätigte Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 1 GWB könnte eine Möglichkeit für die zulässige Zusammenfassung von gleichgerichteten Beschaffungsvorhaben durch solche Unternehmen darstellen, welche die Freistellungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 2 GWB nicht erfüllen.

2.3 Ausschluss des § 1 GWB wegen Vorrangs des Sparsamkeitsgebotes

Schließlich stellt der BGH – ganz im Sinne seiner bisherigen Rechtsprechung – klar, dass eine Rechtsgüterabwägung im Rahmen des § 1 GWB nicht zulässig ist. So könne auch das in § 6 Abs. 1 HGrG sowie in § 82 Abs. 2 NGO niedergelegte Gebot zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung durch Träger hoheitlicher Gewalt die Geltung des Kartellverbots nicht einschränken. Andernfalls könnten Hoheitsträger, die sich am Wettbewerb beteiligen, letztlich zulasten anderer Marktteilnehmer Vorteile erlangen. Die Kommunen seien vielmehr gezwungen, das Sparsamkeitsgebot innerhalb der allgemein geltenden kartell- und wettbewerbsrechtlichen Regelungen zu erfüllen. Insoweit sei das Sparsamkeitsgebot dem Kartellverbot nachgelagert.
Der BGH stellt hier in erfreulicher Deutlichkeit fest, dass Wettbewerbsbeschränkungen außerhalb der gesetzlichen Freistellungen nicht damit gerechtfertigt werden können, diese dienten einem übergeordneten und (gesellschafts-) politisch erwünschten Zweck. Derartige Versuche, die Anwendung des Kartellverbotes einzuschränken, hat der BGH auch in der Vergangenheit stets zurückgewiesen.12

3. Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 GWB

Der BGH kommt weiterhin zu dem Ergebnis, dass die vom niedersächsischen Städte- und Gemeindebund gegründete Einkaufsgesellschaft die Freistellungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 2 GWB erfüllt.

3.1 Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 GWB auf Kommunen

Zunächst stellt der BGH klar, dass § 4 Abs. 2 GWB auch auf Gemeinden und von ihnen gebildete Einkaufsgemeinschaften anwendbar ist. Zwar ziele der Freistellungstatbestand auf eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner ZWeR 2003, 488und mittlerer Unternehmen, nicht jedoch auf Träger hoheitlicher Gewalt. Soweit Gemeinden auf Grund ihrer wirtschaftlichen (Nachfrage-)Tätigkeit allerdings als Unternehmen im Sinne des § 1 GWB anzusehen sind, dürfe der Unternehmensbegriff des § 4 Abs. 2 GWB nicht anders ausgelegt werden. Da zwischen den Gemeinden bei der Nachfrage nach Feuerlöschzügen ein Wettbewerbsverhältnis bestehe, werde auch deren Nachfragetätigkeit vom Normzweck des § 4 Abs. 2 GWB umfasst.13 Dieser Freistellungstatbestand soll strukturelle Nachteile zu Gunsten kleiner und mittlerer Unternehmen gegenüber Großunternehmen ausgleichen, die bereits allein auf Grund ihrer Größe am Markt privilegiert sind. Dieses strukturelle Defizit, auf Grund dessen günstige Beschaffungskonditionen schwieriger zu erzielen sind, besteht nach Auffassung des BGH im Verhältnis von kleinen zu großen Gemeinden in gleicher Weise wie im Verhältnis von kleinen zu großen Wirtschaftsbetrieben.14
Mit dieser Entscheidung schließt sich der BGH in vollem Umfang der Auffassung des OLG Düsseldorf zum Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 GWB an. Demgegenüber war das OLG Koblenz davon ausgegangen, Gemeinden stünden grundsätzlich nicht in einem Wettbewerbsverhältnis miteinander, sondern erfüllten allein die ihnen zugewiesenen Aufgaben im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs. Ein Wettbewerb zwischen Gemeinden sei allenfalls im Einzelfall im Rahmen eines „Standortwettbewerbs“ denkbar, auf den die Nachfragetätigkeit der Gemeinden jedoch ersichtlich keine Auswirkungen habe. Insofern seien Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand grundsätzlich nicht geeignet, deren Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.15
Der Auffassung des BGH ist zuzustimmen. Es wäre nicht nachvollziehbar, die Einkaufstätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen wegen eines strukturellen Defizits gegenüber größeren Unternehmen zu privilegieren, indem deren Nachfragetätigkeit gebündelt werden darf, diese Möglichkeit kleinen und mittleren Gemeinden jedoch nicht zur Verfügung zu stellen. Auch diese haben ein kleinen und mittleren Unternehmen entsprechendes besonderes Interesse daran, bei ihrer Beschaffungstätigkeit günstigere Einkaufskonditionen zu erzielen, als ihnen dies bei einer selbstständigen Nachfragetätigkeit möglich wäre. Unterwirft der Gesetzgeber die Gemeinden bei dieser Nachfragetätigkeit – in nachvollziehbarer Weise – den Regeln des Kartellrechts, muss es ihnen auch möglich sein, ihre im Rahmen der unternehmerischen Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen auftretenden strukturellen Defizite durch eine Nachfragebündelung auszugleichen.16
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Zu klären bleibt in diesem Zusammenhang noch, unter welchen Voraussetzungen eine Gemeinde als kleines oder mittleres Unternehmen zu qualifizieren ist. Entscheidend ist dabei nicht die absolute Größe der betroffenen Unternehmen, sondern die Relation zu den auf den relevanten Märkten tätigen Wettbewerbern.17 Die relative Größe eines werbend tätigen Unternehmens ist dabei anhand einer Gesamtbewertung zu ermitteln, bei der der Umsatz, die Beschäftigtenzahl, die Kapitalausstattung oder das Warensortiment zu berücksichtigen sind.18 Bei Kommunen führen diese Kriterien mangels Tätigkeit als „klassische“ Wirtschaftsunternehmen allerdings nicht weiter. Der BGH hat sich in der Feuerlöschzüge-Entscheidung – ebenso wie das OLG Celle in der Vorinstanz – nicht dazu geäußert, bis zu welcher Größenordnung Gemeinden als kleine und mittlere Unternehmen im Sinne des § 4 Abs. 2 GWB einzuordnen sind. Man wird aber davon ausgehen können, dass hier die jeweiligen Gemeindeordnungen der verschiedenen Bundesländer Anhaltspunkte für die Qualifizierung als kleine oder große Gemeinden geben können. So hat das OLG Düsseldorf etwa auf § 4 Abs. 1 GO NW abgestellt und dementsprechend angenommen, unterhalb einer Schwelle von 25.000 Einwohnern könne man von einer kleinen Gemeinde sprechen, bis zu einer Einwohnerzahl von 60.000 von einer mittleren Gemeinde und bei einer darüber hinausgehenden Einwohnerzahl von einer großen Gemeinde.19

3.2 Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit

Nach § 4 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 GWB sind Einkaufskooperationen nur dann vom Kartellverbot freigestellt, wenn dieselben dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern. Bis zur Feuerlöschzüge-Entscheidung des BGH war nicht abschließend geklärt, ob diese Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem relevanten Nachfragemarkt eintreten muss, oder ob dabei nur (bzw. auch) auf den Absatzmarkt abzustellen ist. Käme es für eine Freistellung nach § 4 Abs. 2 GWB allein auf eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem Beschaffungsmarkt an, dürfte diese Voraussetzung bei sämtlichen Einkaufskooperationen vorliegen. Praktisch jede vertragliche Nachfragebündelung führt nämlich zu Vorteilen bei der Beschaffung, so dass die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf dem Nachfragemarkt gestärkt wird. Wäre es daneben erforderlich, dass auch die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen auf den Angebotsmärkten verbessert wird, würden zumindest Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand regelmäßig aus dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 GWB ausschei-ZWeR 2003, 490den, da deren Mitglieder sich nicht als Anbieter von Waren betätigen und daher ihre Wettbewerbsfähigkeit auf Angebotsmärkten nicht verbessert werden kann.
In der Literatur wird vorwiegend angenommen, eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit müsse auf dem Beschaffungsmarkt eintreten.20 Teilweise sollen dagegen Verbesserungen entweder auf dem Beschaffungs- oder auf dem Angebotsmarkt ausreichen.21 Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte stellt ebenso uneinheitlich teilweise ausschließlich auf den Angebotsmarkt,22 teilweise ausschließlich auf den Beschaffungsmarkt 23 und teilweise sowohl auf den Beschaffungs- als auch auf den Absatzmarkt ab.24
Der BGH kommt demgegenüber zu dem Ergebnis, dass nach dem Schutzzweck des § 4 Abs. 2 GWB bei der Feststellung einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit allein auf den Nachfragemarkt abzustellen ist. Zur Begründung führt er aus, die Norm solle strukturelle Defizite in der Nachfragemacht ausgleichen, die sich allein auf Grund der geringen Größe der beteiligten Unternehmen ergeben. Durch eine Nachfragebündelung würden auf Seiten der Gemeinden bessere Einkaufsbedingungen erreicht. Dies reiche für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit aus.
Der BGH setzt sich dabei nicht mit dem Argument auseinander, dass sich die Kommunen nicht im Wettbewerb mit größeren Unternehmen behaupten müssen, die Verstärkung ihrer Nachfragemacht also keine Auswirkungen auf ihr weiteres Marktverhalten haben kann. Vielmehr stellt er allein auf die Möglichkeit der Gemeinden ab, durch die Bündelung der Beschaffungsvorhaben im Nachfragewettbewerb eine bessere Position zu erzielen. Damit besteht der Normzweck des § 4 Abs. 2 GWB nach Auffassung des BGH zumindest nicht allein darin, die Wettbewerbsintensität durch die Tätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen zu verstärken. Denn es soll gerade nicht darauf ankommen, ob die an einer Einkaufskooperation beteiligten Unternehmen die gemeinsam beschafften Güter nutzen, um auf einem nachgelagerten Markt den Wettbewerb zu größeren Unternehmen zu intensivieren. Vielmehr soll allein entscheidend sein, ob durch Einkaufskooperationen die Verhandlungsmacht der daran beteiligten Unternehmen im Vergleich zu größeren Nachfragern verbessert wird. Auswirkungen auf einen etwa nachgelagerten Angebotsmarkt und die Tätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen auf diesem Markt sind für eine Freistellung nach § 4 Abs. 2 GWB also nicht erforderlich.
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Außerdem stellt der BGH nochmals klar, dass auch eine Beteiligung von größeren Unternehmen an Einkaufskooperationen kleiner und mittlerer Unternehmen die Anwendung des § 4 Abs. 2 GWB nicht ausschließt. Die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen könne erst recht verbessert werden, wenn sich Großunternehmen an deren Einkaufskooperation beteiligen. Eine Grenze für die Beteiligung von größeren Unternehmen bilde lediglich die weitere Voraussetzung des § 4 Abs. 2 GWB, nach welcher der Wettbewerb auf dem betroffenen Markt nicht wesentlich beeinträchtigt werden darf (vgl. dazu unter 3.4).

3.3 Über den Einzelfall hinausgehender Bezugszwang

Auch einen über den Einzelfall hinausgehenden Bezugszwang hat der BGH vorliegend nicht festgestellt. Da die Gemeinden frei seien, sich überhaupt an den über die Beklagte veranlassten Ausschreibungen zu beteiligen, könnten sie von Fall zu Fall entscheiden, ob sie die Beklagte mit der Beschaffung beauftragen oder selbst als Nachfrager auftreten. Die Verpflichtung der Kommunen, die über die Beklagte beschafften Gegenstände abzunehmen, stelle keinen über den Einzelfall hinausgehenden Bezugszwang dar.
Ein Bezugszwang kann zunächst in der Tat nur vorliegen, wenn die Mitglieder einer Einkaufskooperation in der Wahl ihrer Bezugsquellen – rechtlich oder faktisch – nicht mehr frei sind. Entscheidend muss also sein, ob sie ihren Bedarf auch in Fällen über die Einkaufskooperation decken, in denen sie andernfalls aus individuellen Gründen selbstständig als Nachfrager aufgetreten wären und dabei möglicherweise einen anderen Lieferanten ausgewählt hätten.25 Vorliegend waren die Kommunen nur dann verpflichtet, das von der Beklagten beschaffte Gerät zu dem von dieser ausgehandelten Preis abzunehmen, wenn sie die Beklagte zuvor verbindlich mit der Beschaffung beauftragt hatten. Damit wird ein gewöhnliches Austauschverhältnis begründet, das die Freistellung der Nachfragebündelung über die Einkaufskooperation sicherlich nicht beeinträchtigen kann.26 Zusätzlich zu dem von der Einkaufsgesellschaft ausgehandelten Preis hatten die Gemeinden einen Betrag in Höhe von 3 % des Einkaufspreises zu zahlen. Darin lag vermutlich der Kostenbeitrag der Kommunen für die Tätigkeit der Einkaufsgesellschaft. Der BGH geht auf diese zusätzliche Zahlungspflicht in seiner Entscheidung zu Recht nicht ein. Denn ohne eine Weitergabe der Kosten der Einkaufsgemeinschaft an ihre Mitglieder wäre diese nicht lebensfähig. In der Praxis sind allerdings verschiedene Konstellationen denkbar, in denen Kostendeckungsklauseln zu einem unzulässigen mittelbaren Bezugs-ZWeR 2003, 492zwang führen können. Dies gilt beispielsweise für Kostendeckungsklauseln, die einen festen Kostenbeitrag der Mitglieder unabhängig von deren über die Kooperation getätigtem Umsatz vorsehen, oder für Klauseln, die den Kostenbeitrag danach bemessen, welchen Anteil seines Gesamtumsatzes das jeweilige Mitglied über die Kooperation abwickelt. In diesen Fällen sind die an der Einkaufskooperation beteiligten Unternehmen zwar grundsätzlich frei, über die Kooperation zu beziehen oder ihre Lieferanten individuell auszuwählen. Allerdings fällt der Kostenbeitrag umso mehr ins Gewicht, je weniger sie die Einkaufskooperation einschalten. Auch darin kann im Einzelfall eine unzulässige mittelbare Bezugsbindung zu sehen sein.27
Schließlich stellt der BGH unter Hinweis auf die Regierungsbegründung28 ausdrücklich klar, dass allein die mit einer Einkaufskooperation verbundene wirtschaftliche Sogwirkung keinen über den Einzelfall hinausgehenden Bezugszwang begründet. Zwar könnten die an der Einkaufskooperation beteiligten Unternehmen sich unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit veranlasst sehen, die Einkaufskooperation praktisch immer einzuschalten. Der häufig günstige Einkauf der Mitglieder sei jedoch der Zweck sämtlicher Einkaufskooperationen und diesem Institut regelmäßig immanent. Dies werde vom Gesetz hingenommen.29 Auch das Sparsamkeitsgebot verpflichte die Gemeinden nicht unmittelbar zum Bezug über die Beklagte; es könne allenfalls mittelbar eine einzelne Gemeinde veranlassen, über die Beklagte zu beziehen. Dies reiche für die Annahme eines allgemeinen Bezugszwangs jedoch nicht aus.
Auch hier ist dem BGH zuzustimmen. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass die Kommunen trotz ihrer vergleichsweise geringen Nachfragemacht im Einzelfall beispielsweise bei lokal ansässigen Händlern derart günstige Einkaufskonditionen aushandeln können, dass der Bezug über eine Einkaufskooperation, welche die Nachfrage mehrerer Kommunen bündelt, demgegenüber nicht notwendig das bessere Angebot darstellt. Das Sparsamkeitsgebot würde jedoch nur dann zu einem Bezug über die Einkaufskooperation zwingen, wenn diese in jedem Einzelfall eine günstigere Beschaffungsquelle böte als die individuelle Verhandlung.

3.4 Wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs

Schließlich hat der BGH auch eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne des § 4 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB ausgeschlossen. Eine solche Beeinträchtigung liege nicht bereits dann vor, wenn die bisherige Marktstruktur oder das Beschaffungsverhalten der Mitglieder der Einkaufsko-ZWeR 2003, 493operationen wesentlich verändert werde. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs sei vielmehr nur dann gegeben, wenn die Einkaufskooperation selbst eine zu hohe Nachfragemacht erreiche. Maßgeblich sind auch hier wieder allein die Marktverhältnisse auf dem Beschaffungsmarkt.30 Die Grenze der Zulässigkeit liege dabei unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung und sei im Einzelfall auf Grund einer Gesamtabwägung von quantitativen und qualitativen Kriterien zu bestimmen. Entscheidend sollen die Auswirkungen der Nachfragebündelung auf die Marktgegenseite sein, wobei es insbesondere darauf ankommt, über welche Ausweichmöglichkeiten die Anbieter bzw. die Lieferanten verfügen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lag der Umsatzanteil der an der Einkaufskooperation beteiligten Gemeinden bei der Nachfrage nach Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge auf dem bundesweiten Markt unter 10 %. Bei einem derart geringen Marktanteil auf dem relevanten Nachfragemarkt dürfte in der Tat eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs ausgeschlossen sein. Ob dies auch bei einem Marktanteil einer Einkaufskooperation von mehr als 10 % oder 15 % der Fall wäre, lässt sich nicht mit Sicherheit beurteilen. Jedenfalls bis zu einer Marktanteilsschwelle von 15 % dürfte – entsprechend der Praxis der Europäischen Kommission zur Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG31 – eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs regelmäßig ausscheiden.32
Entscheidend für die Frage der wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs war in dem vom BGH entschiedenen Fall – wie so oft – die Marktabgrenzung. Da es um die Auswirkungen der Einkaufskooperation auf den Nachfragemarkt ging, war bei der Marktabgrenzung auf die Sicht der Anbieter und auf deren Ausweichmöglichkeiten auf andere Nachfrager abzustellen. Die Entscheidung des BGH verdeutlicht in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, nicht nur die bisher von einer bestimmten Anbietergruppe tatsächlich belieferten Nachfrager in den relevanten Markt einzubeziehen, sondern zusätzlich festzustellen, inwieweit es sämtlichen – auch kleinen und mittleren – Anbietern betriebswirtschaftlich möglich und zumutbar ist, ihre bisherige Vertriebstätigkeit (räumlich) auszuweiten.
Bei der räumlichen Marktabgrenzung kommt der BGH zu einem bundesweiten Markt für die Nachfrage nach Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge. ZWeR 2003, 494Zur Begründung stellt er darauf ab, dass zwei größere und zwei kleinere Anbieter von Feuerwehrausrüstungsgegenständen bundesweit tätig sind und dass diese Produkte in Niedersachsen sogar zu 50 % durch ein in Süddeutschland ansässiges Unternehmen geliefert werden. Weder regionale Eigentümlichkeiten noch höhere Transportkosten legten eine räumliche Einschränkung des Marktes nahe. Das räumlich begrenzte Liefergebiet regional tätiger kleinerer Händler beruhe nicht auf den Besonderheiten des Marktes, sondern auf deren eigener unternehmerischer Entscheidung, sich nur lokal zu betätigen. Derartige unternehmensstrategische Gesichtspunkte, die sich nicht notwendig aus den Bedingungen des Marktes ergeben, seien für die Bestimmung des relevanten Marktes ohne Belang.33 Zudem misst der BGH der in der Praxis festzustellenden Tendenz zur Bündelung der Nachfrage und der damit verbundenen wesentlichen Erweiterung europaweiter Ausschreibungen Bedeutung bei. Solche europaweiten Ausschreibungen führen nach Auffassung des BGH zu einer Objektivierung des Wettbewerbs und können damit traditionell begründete Absatzbeziehungen gefährden, da die bisherigen Lieferanten sich im Preiswettbewerb mit räumlich weiter entfernt ansässigen Unternehmen behaupten müssen.
Der BGH hat es danach zu Recht abgelehnt, den auf Grund langjähriger Übung begründeten Lieferverhältnissen zwischen kleinen Anbietern und Kommunen über eine regionale Marktabgrenzung Bestandsschutz zu verleihen. Selbst die – vom BGH zugestandene – Möglichkeit, dass die Nachfragebündelung im Ergebnis zu einer Ausschaltung der Handelsebene führen könnte, da die Hersteller sich zunehmend selbst an den Ausschreibungen der Einkaufskooperation beteiligen, reicht für eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne des § 4 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB nicht aus. In der Ausschaltung der Handelsebene ebenso wie in der Notwendigkeit für kleine Händler, ihr Vertriebsgebiet auszudehnen, liegt allerdings eine durchaus wesentliche Veränderung der Markt- und Angebotsstruktur. Relevanz im Sinne einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs hätte eine solche Strukturveränderung nach der Feuerlöschzüge-Entscheidung des BGH allerdings nur dann, wenn die Einkaufskooperation eine besondere Nachfragemacht hätte, also mehr als 10 bis 15 % des Nachfragemarktes auf sich vereinigte.

4. Auswirkungen der VO (EG) 1/2003 und der 7. GWB-Novelle

Abschließend stellt sich die Frage, ob die dargestellte Rechtsprechung des BGH nach In-Kraft-Treten der VO (EG) 1/200334 zum 1. Mai 2003 sowie nach In-Kraft-Treten der 7. GWB-Novelle erneut überdacht werden muss.
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Art. 3 Abs. 1 VO 1/2003 enthält zum einen ein Gebot für die nationalen Behörden und Gerichte, auf Sachverhalte, die den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen können, neben dem einzelstaatlichen Recht auch Art. 81 EG anzuwenden. Nach Art. 3 Abs. 2 VO 1/2003 darf die Anwendung des einzelstaatlichen Wettbewerbsrechts zudem nicht zum Verbot von Vereinbarungen oder Verhaltensweisen führen, die den zwischenstaatlichen Handel berühren, aber den Wettbewerb im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG nicht einschränken oder die Bedingungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllen. Einkaufskooperationen mit zwischenstaatlichen Auswirkungen dürfen also selbst dann nicht mehr nach § 1 GWB verboten werden, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 81 EG nicht erfüllt sind.
Einkaufskooperationen sowohl der öffentlichen Hand als auch von Wirtschaftsbetrieben dürften den zwischenstaatlichen Handel regelmäßig spürbar beeinträchtigen. Einkaufskooperationen sind nämlich weit gehend in größeren regionalen Gebieten und insofern häufig grenzüberschreitend im Sinne des Art. 81 EG tätig. Diese Folge wird sich für Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand bei Überschreiten bestimmter Auftragsvolumina häufig schon aus der vergaberechtlichen Pflicht zur europaweiten Ausschreibung ergeben.35 Selbst wenn eine Einkaufskooperation jedoch ausnahmsweise nur regional tätig sein sollte, dürften ihre Mitglieder meist im Wettbewerb zu zwischenstaatlich relevanten Marktteilnehmern stehen. Außerdem sind häufig auch ausländische Produkte bzw. Lieferanten betroffen.
Der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bisher erarbeitete, noch unveröffentlichte Entwurf des Gesetzes zur Änderung des GWB sieht – anders als für Mittelstandskartelle im Sinne des § 4 Abs. 1 GWB – keine spezielle Norm für die Freistellung von Einkaufskooperationen mehr vor. Diese werden vielmehr von der allgemeinen Freistellungsnorm (§ 2 Abs. 1 GWB-E) erfasst, die wörtlich Art. 81 Abs. 3 EG nachgebildet ist. Nach § 2 Abs. 2 GWB-E sollen bei der Anwendung von § 2 Abs. 1 GWB-E die Verordnungen des Rates und der Kommission über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG entsprechend gelten. § 23 GWB-E schließlich regelt das Gebot der europafreundlichen Auslegung und Anwendung des GWB, wonach bei der Auslegung und Anwendung der §§ 1 bis 4 und § 19 GWB-E die Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts zu berücksichtigen sind, soweit das GWB nicht speziellere Regelungen enthält.
Wie oben unter II 2.1 bereits dargestellt, fallen Einkaufskooperationen nach den Leitlinien der Kommission zum einen ohne ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Mitgliedern der Einkaufskooperation auf nachgelagerten Angebotsmärkten nur dann unter Art. 81 Abs. 1 EG, wenn die an der Einkaufskooperati-ZWeR 2003, 496on beteiligten Unternehmen eine starke Stellung auf den Einkaufsmärkten innehaben. Eine ausreichende Nachfragemacht zur Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG soll erst ab einem Marktanteil von über 15 % vorliegen.36 Zudem sollen bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Einkaufskooperationen sowohl die betroffenen Nachfragemärkte als auch eventuell betroffene Angebotsmärkte berücksichtigt werden, wenn die an der Einkaufskooperation beteiligten Unternehmen zugleich Wettbewerber in einem oder mehreren Verkaufsmärkten sind.37 Sofern eine Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG danach überhaupt in Betracht kommt, stellt die Kommission im Zusammenhang mit den Voraussetzungen einer Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG fest, auch die Verpflichtung, ausschließlich über die Kooperation einzukaufen, könne in bestimmten Fällen unerlässlich sein, um den erforderlichen Umfang für die Erzielung von Größenvorteilen zu erlangen.38 Danach dürfte auch ein rechtlicher oder faktischer allgemeiner Bezugszwang unter besonderen Umständen freistellungsfähig sein. Zur Feststellung, ob eine Einkaufskooperation den Wettbewerb im Sinne des Art. 81 Abs. 3 EG ausschaltet, will die Kommission schließlich anhand der Marktanteile der Beteiligten untersuchen, ob diese eine marktbeherrschende Stellung innehaben und ob dieser Marktstellung mildernde Faktoren wie etwa Gegenmacht der Lieferanten auf den Einkaufsmärkten gegenüberstehen.39
Diese Grundsätze werden die nationalen Kartellbehörden und Gerichte nach In-Kraft-Treten der VO 1/2003 am 1. Mai 2004 berücksichtigen müssen. Zwar kann die Bekanntmachung der Kommission auf Grund ihrer Rechtsnatur als so genannte „Leitlinien“ nur die Kommission selbst für ihre zukünftige Verwaltungspraxis, nicht jedoch den EuGH oder das Gericht erster Instanz binden. Sollte allerdings das im Entwurf zur 7. GWB-Novelle vorgesehene Gebot europafreundlicher Auslegung tatsächlich in das GWB aufgenommen werden, ist – unabhängig von einer (verfassungs-)rechtlichen Bewertung dieser Norm – in der Praxis damit zu rechnen, dass auch die nationale Rechtsprechung und das Bundeskartellamt bei der Beurteilung von Einkaufskooperationen in Zukunft die großzügigere europäische Praxis jedenfalls nicht außer Acht lassen können.
Demzufolge dürften Einkaufskooperationen mit zwischenstaatlichen Auswirkungen jedenfalls ab In-Kraft-Treten der VO 1/2003 im Mai 2004 nur dann vom Kartellverbot erfasst werden, wenn ihre Mitglieder jedenfalls auf den rele-ZWeR 2003, 497vanten Nachfragemärkten einen gemeinsamen Marktanteil von mehr als 15 % erreichen. Sind die Mitglieder der Einkaufskooperation gleichzeitig Wettbewerber auf nachgelagerten Angebotsmärkten, dürften auch die Marktverhältnisse auf diesen Angebotsmärkten bei der Beurteilung der Freistellungsfähigkeit der Einkaufskooperation zu berücksichtigen sein. Ferner wird zukünftig auch ein allgemeiner Bezugszwang nicht grundsätzlich von der Freistellung ausgenommen sein. Bei der Feststellung, ob durch die Einkaufskooperation der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betroffenen Waren im Sinne des Art. 81 Abs. 3 EG ausgeschaltet werden kann, wird die Grenze – anders als nach § 4 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB – schließlich wohl nicht mehr deutlich unter derjenigen der Marktbeherrschung liegen, sondern erst bei einem deutlich über 15 % liegenden gemeinsamen Marktanteil der Mitglieder der Einkaufskooperation überschritten werden.

Abstract

The “Feuerlöschzüge” decision of the German Federal Court of Justice (BGH) clarifies the scope of the German prohibition of cartels concerning purchase cooperatives. It points out that the prohibition of cartels covers restrictions of the competition of demand irrespective of whether the members of the purchase cooperative are simultaneously suppliers of the jointly purchased goods and competitors in that regard. Competition is restricted, if members of the cooperative entrust the cooperation by similar vertical agreements and the cooperation brings together procurements of its members in order to achieve better conditions.
Due to the annotated decision it is now certain that the exemption of the prohibition of cartels in § 4 (2) of the German Law against Restrictions on Competition (GWB) is also applicable to purchase cooperatives of public authorities. Consequently, an improvement of competitiveness (§ 4 (2) in conjunction with § 4 (1) No. 2 GWB) is gained if that joint procurement by means of the purchase cooperative strengthens the power of negotiation of the involved municipalities or enterprises. Virtually this is the case with all purchase cooperatives. Consequently, such purchase cooperatives of small and middle-sized enterprises have to be regarded as admissible as long as they do not lead to a considerable restriction of competition – which occurs when they themselves reach a too powerful strength of demand. In any case a market-share of up to 15 % of the relevant market of demand seems to be permissible. For the verification of both the improvement of competitiveness and the considerable restriction of competition the affected market of demand, not the market of supply is crucial.
The decision of the BGH affects merely the application and interpretation of the national law presently in force. Due to the new VO (EC) 1/2003 from ZWeR 2003, 498May 1st 2004 the national authorities and courts will have to take into consideration the conditions of Art. 81 EC-Treaty and the guidelines of the European Commission, which all in all have a more generous approach concerning the admissibility of purchase cooperatives: Purchase cooperatives of enterprises which compete with one another solely on markets of demand and not simultaneously on markets of supply are covered by Art. 81 (1) EC-Treaty only if the participiants combined market-share exceeds 15 %. This is of significance for both purchase cooperatives of public authorities and purchase cooperatives of enterprises which do not resell these purchased goods and therefor have to be regarded as consumers. In addition to that the European Commission takes the view, that Art. 81 (3) EC-Treaty in some cases even permits the release of purchase cooperatives from the prohibition of such cartels, which put an obligation on its members to an exclusive procurement through the cooperation. Therefore in future such limitation ought not rule out the release from the prohibition of cartels from the outset, even if national law is applicable.
*
*)
Dr. iur., Rechtsanwältin – Nörr Stiefenhofer Lutz, Berlin
1
1)
 Urt. v. 12.11.2002 – KZR 11/01, ZIP 2003, 1813 (m. Anm. Lotze) = WuW/E DE-R 1087 = GRUR 2003, 633 = NVwZ 2003, 1012, dazu EWiR 2003, 821 (Beeser-Wiesmann).
3
3)
 Schulte, WRP 1990, 217, 220; Schumacher/Schalast, DZWIR 1998, 296, 297; Beuthien, DB 1977, Beilage 5, S. 1 ff.; Bechtold, GWB, 3. Aufl., 2002, § 1 Rz. 69; a.A. insoweit Bunte, WuW 1998, 1037, 1041 f.; Keßler, WuW 2002, 1162, 1164.
4
4)
 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., 2001, § 1 Rz. 352 ff.; so auch KG WuW/E OLG 2745, 2747 f. – HFGE unter Berufung auf BGH WuW/E BGH 1367, 1371 ff. – Zementverkaufsstelle Niedersachsen.
5
5)
 Bechtold (Fußn. 3), § 1 Rz. 67.
6
6)
 Vgl. BGH WuW/E DE-R 289, 293 – Lottospielgemeinschaft; BGHZ 107, 40, 42 ff. – Krankentransportbestellung, dazu EWiR 1989, 811 (Gloy).
7
7)
 Leitlinien der Kommission zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl 2001 C 3/02, Tz. 123, 130.
8
8)
 So auch BKartA, TB 1999/2000, S. 45 f.; Bunte, WuW 1998, 1037, 1041.
9
9)
 Zu den denkbaren zukünftigen Konsequenzen hieraus vgl. unter III 4.
10
10)
 Vgl. BGH WuW/E BGH 1367, 1369 f. – Zementverkaufsstelle Niedersachsen; Zimmer (Fußn. 4), § 1 Rz. 186.
11
11)
 LG Düsseldorf WuW/E DE-R 769, 770 – Sportartikel-Einkaufsgesellschaft.
12
12)
 Vgl. etwa BGHZ 137, 297, 311 f. = ZIP 1997, 2215, 2219 – Europapokal-Heimspiele; BGH WuW/E DE-R 115, 121 – Carpartner; a. A. Schumacher/Schalast, DZWIR 1998, 296, 298.
13
13)
 So zuvor auch OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 150, 152 f. – Löschfahrzeuge.
14
14)
 So auch Bunte, WuW 1998, 1037, 1046; Schumacher/Schalast, DZWIR 1998, 296, 298.
15
15)
 OLG Koblenz WuW/E Verg 184, 186 f. – Feuerlöschgeräte; zustimmend Bunte, BB 2001, 2121, 2124 f.
16
16)
 So auch Lutz, WRP 2002, 47, 48; Kämper/Heßhaus, NZBau 2003, 303, 308 f.
17
17)
 Begründung zum Regierungsentwurf zur 5. GWB-Novelle, BT-Drucks. 11/4610, S. 16.
18
18)
 Bunte, in: Frankfurter Komm., GWB, 1999, § 4 Rz. 126.
19
19)
 OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 150, 155 – Löschfahrzeuge.
20
20)
 Immenga, in: Immenga/Mestmäcker (Fußn. 4), § 4 Rz. 108; Kiecker, in: Langen/Bunte, Komm. z. deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., 2001, § 4 GWB Rz. 60.
21
21)
 Bechtold (Fußn. 3), § 4 Rz. 9.
22
22)
 OLG Koblenz WuW/E Verg 184, 187 – Feuerlöschgeräte.
23
23)
 OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 150, 153 – Löschfahrzeuge.
24
24)
 OLG Celle WuW/E DE-R 188, 191 – Feuerwehr-Bedarfsartikel.
25
25)
 Immenga, in: Immenga/Mestmäcker (Fußn. 4), § 4 Rz. 118.
26
26)
 Vgl. Bunte (Fußn. 18), § 4 Rz. 112.
27
27)
 Immenga, in: Immenga/Mestmäcker (Fußn. 4), § 4 Rz. 127; Keßler, WuW 2002, 1163, 1168.
28
28)
 Begründung zum Regierungsentwurf zur 5. GWB-Novelle, BT-Drucks. 11/4610, S. 15.
29
29)
 So auch die h. M. in der Literatur, vgl. etwa Immenga, in: Immenga/Mestmäcker (Fußn. 4), § 4 Rz. 116 f.; Bunte (Fußn. 18), § 4 Rz. 116; Kiecker (Fußn. 20), § 4 GWB Rz. 48.
30
30)
 Anders OLG Celle als Vorinstanz, NJW-RR 2002, 476, 477 – Feuerwehrausrüstungen und ihm folgend Bunte, WuW 1998, 1037, 1048; Bunte (Fußn. 18), § 4 Rz. 132; Keßler, WuW 2002, 1162, 1169, die jeweils sowohl auf die Beschaffungs- als auch auf die Angebotsmärkte abstellen.
31
31)
 Leitlinien der Kommission zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl 2001 C 3/02, Tz. 130.
32
32)
 Vgl. Wiedemann/Schroeder, Handbuch des Kartellrechts, 1999, § 8 Rz. 82; Bunte (Fußn. 18), § 4 Rz. 135; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker (Fußn. 4), § 4 Rz. 138.
33
33)
 Vgl. BGH WuW/E BGH 2855, 2857 – Flaschenkästen.
34
34)
 Ratsverordnung v. 16.12.2002, ABl L 2003, 1 ff.
35
35)
 Vgl. dazu §§ 97 ff. GWB i. V. m. §§ 2 ff. VgV v. 11.2.2003, BGBl I, 169.
36
36)
 Leitlinien der Kommission zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl 2001 C 3/02, Tz. 123, 130.
37
37)
 Leitlinien der Kommission zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl 2001 C 3/02, Tz. 122, 134.
38
38)
 Leitlinien der Kommission zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl 2001 C 3/02, Tz. 133.
39
39)
 Leitlinien der Kommission zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl 2001 C 3/02, Tz. 134.

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