ZWeR 2018, 246

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln 2199-1723 Zeitschrift für Wettbewerbsrecht ZWeR 2018 AufsätzeStefan Thomas*

Die Auswirkungen des SIEC-Tests auf den Anwendungsbereich der Ministererlaubnis

Wohlfahrtsstandards und politische Verantwortlichkeit in der deutschen Fusionskontrolle

Die Ministererlaubnis beruht zu Recht auf dem Dogma, dass es sich bei ihr nicht um eine Fehlerkorrektur der kartellamtlichen Entscheidung handelt, sondern mit den gesamtwirtschaftlichen Vorteilen bzw. dem überragenden Interesse der Allgemeinheit – zusammenfassend: Gemeinwohlgründen – ein anderer Prüfungsmaßstab gilt als der reine Wettbewerbsschutz. Wettbewerbsschutz und Gemeinwohl sollten rechtlich und institutionell getrennt sein. Darin spiegelt sich das Anliegen wider, gerade durch das Instrument der Ministererlaubnis der Gefahr politischer Einflussnahme auf das BKartA entgegenzuwirken. Für das Gemeinwohl außerhalb des Wettbewerbsschutzes soll der Minister die alleinige politische Verantwortung tragen. Die These des vorliegenden Beitrags lautet, dass die Einführung des SIEC-Tests in § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB die Grenze zwischen Wettbewerbsschutz und ökonomischem Gemeinwohl stark aufweicht. Wenn man nämlich davon ausgeht, dass der SIEC-Test einem effects-based approach folgt, der hierbei insbesondere auf die consumer welfare abstellt, decken sich weite Teile der für § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB potentiell zu prüfenden Verbrauchernach- und -vorteile (consumer harm und consumer benefit) mit solchen Kriterien, die nach klassischer Lesart dem Gemeinwohlbezug der Ministererlaubnis zugeschrieben wurden. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass die neuere Fusionskontrollpraxis der Kommission zeigt, wie weit ein consumer welfare-Maßstab über reine Preiseffekte hinaus in Bereiche vordringen kann, die mit dem Gemeinwohl i. S. v. § 42 GWB assoziiert werden, wie namentlich Innovationsfähigkeit, Produktqualität und Vielfalt etc. Wenn man den SIEC-Test in diese Richtung weiterentwickelt, ist es in vielen Bereichen kaum noch möglich, die Zuständigkeitsbereiche von Amt und Minister konzeptionell klar voneinander zu trennen.

Inhaltsübersicht

  • I. Einleitung
  • II. Funktion und Struktur der Ministererlaubnis
  • III. Wohlfahrtsstandards
    • 1. Die Komplementarität von ordo-liberalem Freiheitsparadigma und Gemeinwohlgründen
    • 2. Paradigmenwechsel durch den SIEC-Test: Vom Freiheitsschutz zur Verbraucherwohlfahrt
      • 2.1 Struktur des SIEC-Tests
      • 2.2 Consumer welfare vs. total welfare
      • 2.3 Redundanzen und Kompetenzkonflikte mit der Ministererlaubnis
        • 2.3.1 Ausweitung des consumer welfare-Maßstabs in der Fusionskontrollpraxis
        • 2.3.2 Das Fehlen einer kategorialen Unterscheidung zwischen SIEC-Effizienzen und Gemeinwohlgründen in § 42 GWB
          • 2.3.2.1 Das Problem
          • 2.3.2.2 Effizienzen in Ministererlaubnisverfahren und SIEC-Test
            • 2.3.2.2.1 Sicherheit und Qualität der Versorgung
            • 2.3.2.2.2 Senkung der Produktions- und Inputkosten
            • 2.3.2.2.3 Innovation
        • 2.3.3 Zwischenfazit
    • 3. Die Frage nach einem eigenständigen Anwendungsbereich der Ministererlaubnis hinsichtlich Belangen der ökonomischen Wohlfahrt
      • 3.1 Ministerielles Privileg zur Prüfung von Effizienzen?
        • 3.1.1 Effizienzen im SIEC-Regime
        • ZWeR 2018, 247
        • 3.1.2 Zur Frage eines abweichenden Effizienzverständnisses im GWB
        • 3.1.3 Zuständigkeitsspaltung für die Prüfung von Verbrauchervorteilen?
      • 3.2 Ministerielles Privileg der Prüfung marktübergreifender Verbrauchervorteile?
      • 3.3 Unterschiedliche Anforderungen an das Ausmaß von Effizienzen?
      • 3.4 Ministerielle Effizienzprüfung von Amts wegen?
      • 3.5 Zur Frage der Gesamtwohlfahrt als Maßstab in der Ministererlaubnis
  • IV. Schlussfolgerungen
*
*)
Prof. Dr. iur., Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Wettbewerbs- und Versicherungsrecht, Eberhard Karls Universität Tübingen. Der Beitrag beruht auf einem Vortrag, den der Verfasser bei den Kölner Kartellrechtsgesprächen am 13. April 2018 an der Universität zu Köln gehalten hat. Der Text wird auch in dem begleitenden Tagungsband erscheinen.

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