ZWeR 2007, 303
Grenzenloser Zugang zu Dokumenten der Kartellbehörden?
In jüngster Zeit sorgen Fragen des Akteneinsichtsrechts im Zusammenhang mit Kartellverfahren zunehmend für Aufsehen. Insbesondere im Zusammenhang mit privaten Schadensersatzklagen wird die Möglichkeit diskutiert, durch Einsicht in die Akten der Kartellbehörden die Beweisführung von Kartellgeschädigten vor Zivilgerichten zu unterstützen. Mit rechtskräftigem Urteil vom 13. April 2005 hat das Gericht erster Instanz (EuG) eine Entscheidung der Kommission, keinen Zugang zu Akten aus einem Kartellverfahren zu gewähren, für nichtig erklärt.1 In der Entscheidung hat das EuG die so genannte „Transparenzverordnung“ (im Folgenden: TransparenzVO)2 auf die Akten der Europäischen Kommission in einem Kartellverfahren angewendet.
Auf europäischer Ebene gewährt die TransparenzVO ein allgemeines Recht auf Akteneinsicht. Bei einer Betrachtung der Praxis zeichnet sich ab, dass ein Großteil der auf der Grundlage der TransparenzVO an die Organe der Europäischen Gemeinschaft gerichteten Auskunftsverlangen Dokumente der Generaldirektion Wettbewerb betrifft.3 In Deutschland ist zum 1. Januar 2006 das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG)4 in Kraft getreten, das ebenfalls ein jedermann zustehendes Recht auf Informationszugang gewährt. Auch hier stellt sich die Frage, inwieweit diese neuen Akteneinsichtsrechte auf Akten der Kartellbehörden Anwendung finden und welche Konsequenzen sich aus der Anwendung der TransparenzVO und des IFG für die betroffenen Unternehmen ergeben können.
Inhaltsübersicht
- I. Die Regeln zur Akteneinsicht im EG-Kartellverfahren
- II. Die TransparenzVO
- 1. Das Verhältnis der TransparenzVO zur VO 773/2007
- 1.1 Lex Superior derogat legi inferiori
- 1.2 Lex Posterior derogat legi priori
- 1.3 Lex Specialis derogat legi generali
- 2. Die Anspruchsberechtigten
- 3. Die Anspruchsvoraussetzungen
- 4. Der Umfang des Akteneinsichtsrechts
- 5. Die Ausnahmen
- 5.1 Die absoluten Zugangsverweigerungsgründe
- 5.2 Die relativen Zugangsverweigerungsgründe
- 5.2.1 Der Schutz der geschäftlichen Interessen natürlicher und juristischer Personen
- 5.2.2 Der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung
- 5.2.3 Der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeit
- 5.2.3.1 Differenzierungsmöglichkeiten
- 5.2.3.2 Praxistauglichkeit einer solchen Differenzierung
- 5.3 Kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der Dokumente
- 6. Maßstäbe für die Anwendung der TransparenzVO auf Akten aus Kartellverfahren
- III. Das Urteil des EuG in der Sache VKI/Kommission
- IV. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes
- V. Zusammenfassung
- *
- *)Der Autor ist als Rechtsanwalt in der Praxisgruppe Europarecht/Kartellrecht der Sozietät White & Case LLP in Hamburg tätig. Dank für zahlreiche Anmerkungen und Hinweise gebührt Dr. Börries Ahrens und Dr. Justus Herrlinger.
- 1
- 1)EuG, Urt. v. 13. 4. 2005 – Rs T-2/03, Slg. 2005, II-1121 – VKI/Kommission.
- 2
- 2)VO (EG) Nr. 1049/ 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission v. 30. 5. 2001, ABl L 145 v. 31. 5. 2001, S. 43 – 48.
- 3
- 3)Vgl. Bericht der Kommission über die Durchführung der VO (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission im Jahr 2004 v. 29. 7. 2005, KOM(2005) 348, S. 4.
- 4
- 4)Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes v. 5. 9. 2005, BGBl I, 2722.
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