ZWeR 2016, 165
EuGH: Kartellkontrolle von Tarifverträgen
Der EuGH hat in der Entscheidung „FNV Kunsten Informatie en Media“ v. 4. 12. 2014 – Rs C-413/13, EuZW 2015, 313 die Reichweite des tarifvertraglichen Kartellprivilegs konkretisiert. Die Entscheidung besteht aus zwei Teilen. Unmittelbar beschäftigt sich der EuGH mit der Reichweite des Kartellprivilegs gegenüber an sich selbständigen Aushilfsmusikern, die aber gleichwohl Arbeitnehmer im Sinne des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs sein können – und deren Vergütungen dann durch Tarifvertrag „kartelliert“ werden können. Spannender ist, was der EuGH nicht sagt: Wortlos weist er einen kühnen Vorstoß des Generalanwaltes Wahl zurück, wonach auch die Unterbindung von Sozialdumping durch konkurrierende Unternehmen kartellkontrollfrei sei. Drittens ist nach den kartellrechtlichen Konsequenzen in Deutschland zu fragen: Es gibt deutsche Tarifverträge, die die Grenzen des Tarifrechts überschreiten und die Reichweite des Kartellprivilegs verlassen. Dass Arbeitsgerichte Tarifparteien vieles durchgehen lassen, lässt sich mit intensivem Einfluss der Verbände über ihre ehrenamtlichen Richter auf die Gerichtsbarkeit erklären. Der Wettbewerbsschutz ist dort nicht präsent. Dass aber das Kartellamt wegschaut, ist kaum zu erklären. Dass Unternehmen, die von tarifinduzierten Wettbewerbsbeschränkungen nachteilig betroffen sind, keinen Kartellgerichtsschutz beanspruchen, hat mit der ungeklärten Rechtswegezuständigkeit zu tun – oder mit anwaltlicher Unkenntnis.
Inhaltsübersicht
- I. Unionsrechtlich determiniertes Kartellkontrollprivileg
- 1. Der Fall
- 2. Präzisierung der Albany-Rechtsprechung
- 3. Arbeitnehmerbegriff und europarechtliche „Scheinselbständigkeit“
- 3.1 Mehrebenensystem und Begriffsbildung
- 3.2 Europäischer marktstatusbezogener Begriff
- 3.3 Arbeitnehmerähnliche Personen?
- 3.4 Scheinarbeitnehmer
- II. Keine Tarif-Kartellierung von Unternehmen zur Abwehr von Sozialdumping
- 1. Abfuhr für den Generalanwalt
- 2. Kartellrechtskontrolle von Tarifverträgen in Deutschland
- 2.1 Kartellrechtliche Ignoranz
- 2.2 Zwei aktuelle harte Fälle
- III. Rechtswegefragen
- *
- *)Prof. Dr. iur., Ludwig-Maximilians-Universität, Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR), LS für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht, München
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